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Starre Augen, steifer Nacken

Am Ende einer Rolfing-Sitzung bitte ich meine Klienten oft, bestimmte Bewegungen mit den Augen zu machen, während meine Fingerkuppen den Nacken direkt unter dem Schädel stützen. Dabei spüre ich deutlich, wie sich die Augen bewegen, in welcher Richtung sie kreisen, ob sie sich nach rechts unten oder links oben bewegen. Das glauben Sie nicht? Ich schummle nicht, meist habe ich meine eigenen Augen sogar geschlossen ;-) Wollen Sie selbst einmal spüren, wie eng Augenbewegung und Nackenmuskulatur zusammenhängen?

 

Spüren Sie Ihre Augen-Nacken-Verbindung

 

Platzieren Sie Ihre Fingerkuppen quer entlang der unteren Schädelkante, direkt unter dem Haaransatz. Sie sollten nicht fest drücken, es reicht, wenn Sie ein wenig einsinken - mit lockeren, möglichst entspannten Fingern. Jetzt stellen Sie sich eine lästige Stechmücke vor, die etwa 50 cm vor Ihrem Gesicht hektisch hin und her schwirrt. Folgen Sie der Mücke mit Ihren Augen, ohne den Kopf zu bewegen. Was Sie spüren, ist die Aktivität einiger kleiner, tiefliegender Muskeln in Ihrem Nacken. Sie verbinden die Schädelbasis mit dem ersten und zweiten Halswirbel sowie den ersten und zweiten Halswirbel miteinander. Diese kleinen Muskeln sind "intelligente" Muskeln, sie spielen eine wichtige Rolle für unsere Orientierung im Raum und sorgen für eine Feinabstimmung der Kopfhaltung in Relation zur Wirbelsäule und dem ganzen Körper. Die "dummen" dicken Muskeln wie der Trapezius übernehmen dann die grobe Haltearbeit.

 

Spannung in den Augen überträgt sich auf den Körper

Ich möchte Sie zu einer weiteren Spürübung einladen. Stellen Sie sich vor Ihr Bücherregal, in einem Abstand von zwei bis drei Metern. Suchen Sie sich ein Buch, bei dem Sie den Text auf dem Buchrücken etwas unscharf erkennen. Fokussieren Sie Ihren Blick auf die Buchstaben, strengen Sie sich richtig an. Spüren Sie, was in Ihrem Nacken passiert. Spüren Sie, wie sich Ihre Atmung anfühlt. Spüren Sie auch Ihre Füße und deren Kontakt zum Boden. Können Sie wahrnehmen, wie sich die Spannung im Nacken verstärkt, während der Kopf leicht nach vorn zieht? Vielleicht merken Sie auch, wie Ihre Atmung eher flach wird und wie Ihr Gewicht sich eher auf den Vorderfuß verlagert?

 

Nun entspannen Sie Ihren Blick, lassen Sie ihn unscharf werden. Das funktioniert gut, wenn Sie den Raum um sich wahrnehmen, die Farben und Formen am Rand Ihres Gesichtsfelds. Sie können sich auch vorstellen, Ihre Augen würden "lächeln". Wir Rolfer nennen das einen "peripheren Blick". Merken Sie, wie viel entspannter Sie im ganzen Körper sind? Der Atem kann wieder freier fließen, die Füße bekommen besseren Bodenkontakt.

Wenn Sie wollen, können Sie das Experiment beim Gehen wiederholen, auch beim Spaziergang in der Natur.

 

NackenEntspannung im Alltag

Versuchen Sie die oben beschriebene Übung so oft wie möglich in Ihren Alltag einzubauen, vor allem, wenn Sie viel Zeit vor dem Computer verbringen müssen. Setzen Sie immer wieder zwischendurch Ihre "unscharfe Brille" auf und nehmen den Raum um sich wahr. Auch sonst neigen wir Menschen heutzutage dazu, mit unseren Augen zu "greifen". Wir fokussieren zu viel, was sich ungünstig nicht nur auf unseren Nacken auswirkt. Wenn Sie den Gehsteig entlang gehen, achten Sie auch darauf, den Kopf nicht unnötig nach unten zu neigen, den Blick nicht unnötig zum Boden zu richten. Blicken Sie nach vorn und üben Sie den peripheren Blick. Wenn Sie dabei mit entgegen kommenden Menschen keinen Augenkontakt aufnehmen wollen, schauen Sie einfach durch sie durch... und lächeln mit Ihren Augen!