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Füße, Füße, Füße - unsere Basis

Es gibt immer wieder diese Momente in der Praxis: Wenn jemand kommt mit Rückenschmerzen, Nackenproblemen oder Schulterproblemen, erwartet sie/er zumindest zu Beginn der Rolfing-Serie, dass ich vorwiegend am Oberkörper arbeite. Wenn ich dann sage: "Lassen Sie uns heute mal Ihre Füße und Beine angehen", ernte ich manchmal einen erstaunten Blick und manchmal auch die Frage, warum ich das denn zum jetzigen Zeitpunkt für hilfreich hielte. Danke für diese Frage! Darauf antworte ich gern. Heute mit einem Zitat von Ida Rolf.

 

"Fehlstellungen des Oberkörpers können erst dann verschwinden, wenn die Sprunggelenke wieder funktionstüchtig, wenn die Linien der Kraftübertragung befreit und die Strukturen so belastbar gemacht wurden, dass sie das Körpergewicht gut verteilen können." So hat es Ida Rolf in ihrem Standardwerk "Rolfing- Strukturelle Integration" von 1977 formuliert.

 

Ida Rolf betont also, dass körperliche Ausgewogenheit bei den Füßen beginnt. Einfach deshalb, weil eine grundlegende Aufgabe der Füße und Sprunggelenke darin besteht, für den gesamten Körper und eben auch den Oberkörper eine zuverlässige Basis zu schaffen. In jeder Situation, bei jeder kleinsten Bewegung, auch beim Stehen (denn auch Stehen ist Bewegung und nicht statisch), tariert sich der Körper aus, um sein Gleichgewicht zu finden. Er will sich mit der Schwerkraft möglichst optimal arrangieren. Das funktioniert nur mit einem anpassungsfähigen "Unterbau". Umgekehrt kann es natürlich auch sein, dass Fehlspannungen im Oberkörper Spuren in den Füßen und den Sprunggelenken hinterlassen. Wieder einmal hängt alles zusammen und steht miteinander in Wechselwirkung.

Was ich in der Praxis immer wieder beobachte und worüber ich mich jedesmal freue: Nachdem ich die Menschen an ihren Füßen und Beinen bearbeitet habe - ob Vorderseiten, Rückseiten, Innen- und Außenseiten -, stehen sie auf und violá! Manche empfinden das Stehen als stabiler, andere fühlen mehr Leichtigkeit. Die meisten sich richten ein Stück weit mehr auf. Sie streben ganz von selbst nach oben, ohne jedes unnötige Zutun. Die Vorderseite des Oberkörpers ist offener, die Schultern können entspannter auf dem Brustkorb ruhen. Das Becken orientiert sich neu in seiner Kippung, so dass sich die Wirbelsäule besser aufrichten und der Kopf einen entspannteren Platz finden kann. Viele Klienten spüren das, nehmen das wahr. Andere weniger, aber es geschieht erfreulicherweise trotzdem.

 

Und da ist dann noch Der Psoas

 

Wir Rolfer lassen unsere Klienten gern ein paar Schritte gehen. Wir beobachten, wie ausgewogen die Füße arbeiten, wie die Knie sich bewegen, und auch, wie frei das Becken bei dieser Bewegung ist und inwieweit sich die Bewegung der Beine in die Wirbelsäule und in den Oberkörper fortsetzt. Wie frei der Schultergrütel in der Bewegung mitgeht. Denn das ist natürliches Gehen: eine Bewegung durch den ganzen Körper, eine Ganzkörper-Bewegung.

 

Eine der vielen Komponenten, die eine geschmeidige Bewegung beim Gehen ermöglichen (oder verhindern können), ist der Psoas. Ein Muskel, der die Beine direkt mit der Lendenwirbelsäule verbindet, wie auf der Abbildung rechts zu sehen. Wenn Sie sich das Foto ansehen, können Sie verstehen, dass z.B. ein Psoas mit zu viel Spannung die Bewegung des Beckens beim Gehen beeinträchtigt und damit auch die Bewegung der gesamten Wirbelsäule. 

Ich könnte hier noch seitenweise weiter schreiben. Aber um's jetzt kurz zusammen zu fassen: Ohne eine adäquate Basis, ohne ausbalancierte Strukturen in den Füßen ist eine ausbalancierte Körperhaltung nicht möglich. Ida Rolf könnte jetzt ergänzen: "Der Mensch braucht Auftrieb von unten."